Boudoir – die Bezeichnung dieses geheimnisvoll anmutenden und heute aus der Mode gekommenen Raumtyps weckt Assoziationen an gerüchteumwitterte Personen wie Madame de Pompadour in Paris, an Müßiggang und intime Gespräche, vielleicht sogar Ränkespiele. Auch an Thüringer Höfe gab es Bedarf an solchen besonderen Rückzugsorten. Ein kunstvoll ausgestattetes Exemplar verbirgt sich hinter einer Trennwand im Westflügel von Schloss Friedenstein und gehört zu den acht erhaltenen Räumen des Erbprinzenappartements.

Das vom Wohnzimmer aus zugängliche Boudoir hat keine eigenen Fenster und wird nur indirekt beleuchtet. Der heute mit einem schlichten blauen Stoff ausgekleidete längliche Raum weist an den Schmalseiten breite Nischen auf, in einer davon steht bis heute ein gusseiserner Kamin mit marmorner Aufsatzfigur von Bildhauer Friedrich Wilhelm Doell (1750-1816). Die Figur einer liegenden, sich seitlich aufrichtenden Frau, bekleidet mit einem fast durchsichtigen Schleier, führt das Thema der um 1800 aktuellen pompejanischen Mode aus dem angrenzenden Wohnzimmer prominent fort, stimmt aber auch auf den femininen, intimen Charakter des Raumes ein.

Über die ursprüngliche Ausstattung informieren drei Aquarelle von unbekannter Hand. Sie führen uns das Boudoir als einen duftig leichten Raum mit heller Wandbespannung aus bemaltem ‚Paille Atlas‘ vor: Gemalte, zierliche, aufrecht strebende und sich schlängelnde Blumenranken auf hellem, strohfarbenem Stoff sollten den Eindruck einer lichten Gartenlaube vermitteln. Über den Türen zur Weimarer Galerie und über den Konchen in der Südwand befanden sich den Aquarellen zufolge transparente Gemälde, die zusätzliches Licht hindurchließen. Die Mitte der Trennwand zum Wohnzimmer nahm eine Drehtür mit Spiegeln auf beiden Seiten ein, flankiert von zwei großen Glastafeln mit Gemälden herkulaneischer Tänzerinnen. Durch diese Gemälde konnte man ins Wohnzimmer schauen, jedoch nicht umgekehrt ins Boudoir. Im oberen Bereich der Wand befanden sich drei Glasfenster, hinter denen Alabasterlampen aufgehängt waren.

Zahlreiche der spannenden Details dieser Ansichten konnten jüngst nachgewiesen werden, teils durch Archivrecherchen oder weil Elemente noch vorhanden sind. Zu den wieder aufgefundenen Elementen gehört eine der bemalten Glasplatten der Trennwand. Reste der gemalten Wandfassungen wurden erst 1984 unter der Wandbespannung verborgen und sind noch vorhanden. So findet sich beispielsweise links von der Drehtür die Darstellung einer schlanken römischen Amphore, aus der eine Weinranke emporsteigt.
Auf der Rückwand des Boudoirs hingen dem Aquarell zufolge drei transparente Gemälde, von denen zumindest der mittlere, oben konkav gewölbte Rahmen inzwischen im Nebenraum des Boudoirs wiedergefunden wurde. Vier schmale hohe Spiegel sollten den Raum optisch vergrößern und wurden auch entsprechend der architektonischen Ratgeber des 18. Jahrhunderts mit einer breiten stoffbespannten Wandfläche zwischen ihnen in die Wandabwicklung eingepasst. Sie wurden 1799 vermutlich von den Spiegelmanufakturen in Fürth oder Dresden geliefert, die mehrfach Spiegelgläser zur Ausstattung des neuen Appartments nach Gotha lieferten.

Zu den Einkäufen für die Ausstattung des Appartments gehörten auch zwei Vasen, die bei der renommierten Leipziger Rastischen Kunsthandlung 1799 für 45 Taler erworben wurden. Möglicherweise handelt es sich dabei um die beiden prachtvollen Vasen, die im Boudoir rechts und links des Kamins auf kannelierten Säulen standen. Im Inventar finden wir sie hundert Jahre später noch in der Südwestecke des Schlafzimmers der Erbprinzessin wieder, danach verliert sich ihre Spur. Möbel konnten bisher nicht identifiziert werden. Zur Ausstattung eines Boudoirs gehörte neben einem Ruhebett oft auch eine sogenannte Causeuse – ein kleines Zweisitzermöbel für private Gespräche.

Während in französischen Schlössern das Boudoir meist unmittelbar an das Schlafzimmer der Dame anschloss und auch als Ankleideraum diente, muss es in Schloss Friedenstein eher als Appendix zum Wohnraum gesehen werden – die Raumsituation und die Raumfolge erlaubten keine andere Anbindung. Der intime, zurückgezogene Raumcharakter der französischen Vorbilder, in Architekturratgebern des 18. Jahrhunderts ausführlich beschrieben, wurde jedoch trotzdem auf raffinierte Weise umgesetzt. Das Ergebnis war ein intimes Zimmer, ganz der Herrin des Hauses vorbehalten, der sich hier eine Rückzugsmöglichkeit bot – eine Neuerung in der höfischen Raumkultur und um 1800 auf Schloss Friedenstein eine Neuerung am Puls der Zeit.
Irene Haberland für die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten