Ernst blicken die dunkel schimmernden Augen des unbekannten Herrn aus dem Bildraum heraus. Im Dreiviertelportrait den Betrachtenden zugewandt, wird sein vom Alter gezeichnetes Gesicht von einer stark, zu seiner hellen Haut kontrastierenden schwarzen Allongeperücke umrahmt. Trotz oder gerade aufgrund des sich über sein Antlitz ziehenden Geflechts aus tiefen Linien und Falten, strahlt die mit einem dunklen Überwurf bekleidete Person große Würde und Autorität aus. Mittels malerischer Finesse scheint es dem barocken Maler Christian Schilbach hier gelungen zu sein, nicht nur die physiognomischen, sondern auch die charakterlichen Eigenschaften des älteren Mannes – vermutlich ein Mitglied des Gothaer Hofstaats – festzuhalten.

Insgesamt 21 Portraits solcherart befinden sich in der Sammlung der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha; abgebildet sind neben Personen der höfischen Gesellschaft auch Familienmitglieder des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg sowie das Herzogspaar Magdalene Sybille und Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach.
Die Besonderheit dieser ovalen Gemälde besteht neben der grazil-detaillierten Malweise in der materiellen Beschaffenheit des Bildträgers. Es handelt sich um Öl auf einer bombierten Kupferplatte – das heißt, die Portraits sind konvex gewölbt. Vorteilhaft an einer solchen Kupferplatte ist die glatte Oberfläche. Sie ermöglicht es, mit sehr feinen Pinselstrichen zu arbeiten und resultiert in einer kleinteiligen und präzisen Lasurmalerei.
In den Bildern Schilbachs tritt dies imposant zutage: sei es durch die farblich changierenden Moirémusterungen in der Schärpe Friedrich II., durch die Akkuratesse in der Wiedergabe des Haarschopfs der Prinzessin Friederike oder den fein gesetzten Lichtreflexionen auf dem Harnisch Alexander Hermanns von Wartensleben. In jedem der Bildelemente manifestiert sich Schilbachs Liebe zum Detail. Aufgrund dieses meisterhaften Könnens gelang es ihm zum Künstler des Gothaer Hofes aufzusteigen.
Schneiderssohn mit künstlerischen Ambitionen: Schilbachs Werdegang
Seinen Erfolgsweg nachzuverfolgen, gestaltet sich jedoch als schwierig, da nur wenige Informationen über sein Leben bekannt sind. Wie man es dem Kirchenbuch der St. Johanniskirche in Plauen entnehmen kann, wurde Christian Schilbach im Jahre 1668 in ebendieser sächsischen Stadt, als Sohn eines Schneiders geboren. Auf spekulativer Ebene muss die Annahme, er habe sein künstlerisches Handwerk bei einem lokalen Künstler erlernt, verbleiben. Ebenso, dass er als „Kunstmahler“ zunächst in Plauen und dann an den fürstlichen Höfen Dresdens sowie Wiens angestellt war.
Erst ab 1708 gibt es zuverlässiges Quellenmaterial zum Werdegang Schilbachs: Herzog Friedrich II. von Sachsen-Gotha-Altenburg ernannte ihn in diesem Jahr zum offiziellen Hofmaler und Kunstkämmerer. Seine Anstellung behielt er über 30 Jahre lang bis zu seinem Tod am 26. Dezember 1741. Neben einigen, auf Leinwand gemalten Bildern, fertigte der Künstler in Gotha die faszinierenden Kupferportraits an.

Die Verwendung kupferner Bildträger war unter deutschen Malern des 18. Jahrhunderts durchaus gebräuchlich – seltener hingegen waren diese in bombierter Form. Der Kunsthistoriker Hannsmanfred Stumpf vermutet, dass Schilbach vom künstlerischen Umgang mit konvexen Kupferplatten bei einer Bildungsreise nach Italien erfahren und diesen vor Ort erlernt haben könnte. Nur mit großem handwerklichem Geschick – so kann man annehmen – war es möglich, die gewölbte Oberfläche zu bemalen und dabei einem „verzerrenden“ Eindruck des Bildmotivs entgegenzuwirken.
Solche Ungenauigkeiten lassen sich in den kupfernen Werken Schilbachs nicht auffinden, was Zeugnis von seinen künstlerischen Fähigkeiten gibt. Die bombierte Form des Bildträgers verleiht den Portraitierten einen Eindruck von Plastizität – sie scheinen optisch aus dem Bildraum hervorzutreten. Am deutlichsten kommt dieser Effekt bei den gemalten Gesichtern zur Geltung, da diese stets auf der vertikalen Mittelachse positioniert sind und somit auf dem stärksten Punkt der Wölbung liegen. Die konvexe Form in Kombination mit der detaillierten Wiedergabe der Gesichtszüge führt zu einer ungewöhnlich lebensnahen Darstellung der portraitierten Personen.

Hierbei unterscheidet sich Schilbach von vielen seiner zeitgenössischen Künstlerkollegen, deren Portraits durch eine versatzstückartige und schablonenhaft angewandte Malweise allzu oft idealisierte Konterfeis mit einem erheblichen Mangel an Individualität hervorbrachte. Diesem Phänomen indes scheinen sich die Werke Christian Schilbachs zu entziehen, weshalb die 21 ausdruckstarken Portraits aus seiner Hand, zu den Glanzstücken des „Barocken Universums Gothas“ zählen.
Heute hängt fast die gesamte Portraitreihe im einstigen Arbeitskabinett des Herzogs (nur einige wenige sind an anderen Orten innerhalb der Schlossräume anzufinden). Von einer golden glänzenden Ledertapete aus werden die BesucherInnen von den nicht minder glänzenden Bildnissen empfangen, welche von opulenten Stuckkartuschen gerahmt sind und ihnen zusätzliche Wirkkraft verleihen.
Alter Firnis und tiefe Dellen: die Restaurierung
Dass die Kupferplatten und die Malschicht nun in einem erstklassigen Zustand bewundert werden können, ist der Restauratorin Beatrix Kästner zu verdanken: durch das Abtragen des alten Firnisses erhielten die verdunkelten Portraits wieder ihr ursprüngliches Aussehen zurück. Maßgebliche Arbeit leistete Kästner zudem bei zwei Portraits, deren kupferne Bildträger schwere Schäden erlitten hatten. Tiefe Kratzer und Dellen befanden sich auf den Bildnissen der jungen Prinzen Wilhelm und Johann August von Sachsen-Gotha-Altenburg – die bombierte Oberfläche und das dünne Kupfer machen die Portraits bei unsachgemäßer Lagerung sehr anfällig für solche Beschädigungen. Der Restauratorin gelang es jedoch durch beherztes Eingreifen, die entstandenen Dellen größtenteils wieder auszubeulen.

Mittlerweile sind fast alle der restaurierten Portraits Schilbachs an ihren ursprünglichen Platz zurückgekehrt. Einzig den beiden Prinzen-Portraits steht noch ein letzter Feinschliff bevor – sie wurden in die Werkstatt der Gemälderestauratorin von Schloss Friedenstein gebracht. Fuhyi Kuo wird dort die letzten noch bestehenden Kratzer in der Malschicht ausbessern und farbige Fehlstellen kaschieren. Anschließend können die konvexen Meisterwerke des barocken Hofmalers Christian Schilbachs wieder in vereintem Glanz erstrahlen und die BesucherInnen durch ihre einzigartige Schönheit in den Bann ziehen.
Louise Schmidt für die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.