Während der warmen Jahreszeit sind sie die Zierde des Orangeriegartens. Doch erst wenn es kühl wird zeigt sich, dass die exotischen Kübelpflanzen nicht nur der ganze Stolz heutiger Orangeriegärtner sind, sondern auch in früheren Jahrhunderten eine enorme Bedeutung hatten. Weil sie keinen Frost vertragen, werden sie in ihre Winterquartiere gebracht. Das sind in Gotha wahrhafte Pflanzenresidenzen.
Wie viele andere Regenten schätzten auch die Herzöge von Sachsen-Gotha die Orangeriekultur besonders hoch. Sich mit den Exoten zu beschäftigen und bei Zucht und Pflege selbst Hand anzulegen, war eines Fürsten durchaus würdig. Die Pflanzen zu beschaffen und zu unterhalten, war teuer und aufwendig. Entsprechend prominent wurden sie im Sommer im Freien präsentiert und im Winter in eigenen oft prachtvollen Gebäuden untergebracht. In Gotha entstand ab 1747 eine opulente Orangerieanlage.
Wie in einer Arena stehen dort die Kübelpflanzen um die Beete. An den Seiten flankieren die massiven Winterungshäuser in barocken Formen die Anlage – nördlich das Orangenhaus, südlich das Lorbeerhaus. Das ebenfalls erhaltene nördliche Treibhaus neben dem Orangenhaus hatte ursprünglich noch ein südliches Pendant. Im späten 18. Jahrhundert mussten die Gebäude fast 3000 Pflanzen Platz bieten. Heute umfasst die seit einigen Jahren wieder aufgebaute Sammlung immerhin wieder rund 1000 Pflanzen, darunter 100 große Lorbeer- und 40 große Zitrusbäumchen.
Viele dieser Kübelpflanzen überwintern im teilsanierten Lorbeerhaus. Mit seinem Mittelsaal mit polierter Stuckdecke vermittelt es einen guten Eindruck von der herzoglichen Wertschätzung gegenüber den Pflanzen. Stehen die Pflanzen in den Sälen, wird deutlich, warum sie in dezentem Weiß gefasst sind – das kräftige Dunkelgrün kommt auf diese Weise zu einer einzigartigen Wirkung.
Dieses dezent-noble Farbspiel ist nun gerade wieder entstanden. Parkverwalter Jens Scheffler und seine Mannschaft haben die Kübel ins Lorbeerhaus transportiert und dort aufgestellt. Erhebliche Gewichte sind dabei zu bewegen. „Unsere größten Kübel wiegen fast eine halbe Tonne“, schätzt Scheffler. Früher verwendete man dazu Pferdegespanne, Holzkarren und Tragegestelle, die wie herrschaftliche Sänften wirkten. Heute kommen Gabelstapler und Zugfahrzeuge mit Anhänger zum Einsatz.
Dort finden die Pflanzen gute Bedingungen zum Überwintern – und die Gärtner für ihre Pflegearbeiten: „In den bereits sanierten Bereichen des Mittelsaals und des Westtrakts können wir Luftfeuchte und Temperatur so regulieren, wie es die Pflanzen brauchen“, erklärt Scheffler. „Viele von Ihnen erhalten im Frühjahr einen Rückschnitt, der für das Wachstum und das Treiben von Früchten wichtig ist, aber auch für die gewünschte Form sorgt.“ Denn auch wenn es sich um individuelle Pflanzen mit eigenem Zuwendungsbedarf handelt, stehen sie doch in der Orangerie im Sommer wie im Winter im Dienst einer höchst artifiziellen Gartenidee und entfalten ihre Wirkung vor allem durch die sorgfältige Formgebung des Grüns. Und ab und an funkelt auch das Gelb oder Orange einer Zitrusfrucht durch die Blätter.
Franz Nagel für die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten
Lesetipp: Herzogliche Orangerie Gotha. Garten der Goldenen Früchte, Amtlicher Führer Special der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, verfasst von Jens Scheffler, herausgegeben von der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gemeinsam mit dem Förderverein Orangerie-Freunde Gotha e.V., München/Berlin 2017 – zu erwerben im Buchhandel oder im Onlineshop unter www.thueringerschloesser.de