Seit dieser Woche sieht man auch von außen überdeutlich, dass auf Schloss Friedenstein in großem Stil gebaut wird. Der Westflügel erhält ein Gerüst. Dahinter verschwindet die nördliche Hälfte der rund 100 Meter langen Fassade für etwa ein Jahr. Wenn alles nach Plan läuft, kann es danach an die andere Hälfte versetzt werden.
Das Gerüst selbst ist in dieser Größe schon ein anspruchsvolles Bauwerk. Wie bei einem dauerhaften Gebäude sind hier statische Berechnungen nötig. Die Konstruktion muss sich selbst und die mit der Baustelle verbundenen Lasten tragen, außerdem darf es in der exponierten Lage des Schlossbergs nicht dem oft recht kräftigen Wind nachgeben. Mit engmaschigen Netzen bespannt, entfaltet das Gerüst immerhin ein gewaltiges Segel von rund 1 000 Quadratmetern an jeder der beiden Fassaden.
Eine weitere Last kommt hinzu: Auf dem gut 20 Meter hohen Gerüst wird ein Schutzdach errichtet, ein sogenanntes Kassettendach aus einzelnen Modulen. Es überdeckt die Hälfte des eingerüsteten Bereichs und wandert mit der Baustelle südwärts. 2020 soll es unmittelbar am Westturm angekommen sein, wo außer der Dachsanierung dann auch der Einbau eines Treppenhauses mit Aufzug ansteht.
Unter dem Dach werden abschnittweise die alte Schieferdeckung abgenommen und die Holzschalung entfernt. Dann beginnt die Detailarbeit für die Zimmerleute. Mal müssen ganze Balken ausgetauscht werden, mal genügt der Ersatz einzelner Stücke. Die Grundlage für ein zielgenaues und zügiges Arbeiten haben in den vergangenen Monaten Holzgutachter, Statiker und Architekten in ihren Planungen zusammengetragen.
Heikel wird es vor allem dann, wenn auch die Deckenbalken des darunter liegenden zweiten Obergeschosses ausgetauscht oder repariert werden müssen. Denn nur wenige Zentimeter trennen dann die Baukonstruktion von den fein gearbeiteten Stuckdecken des Klassizismus. Deswegen werden nicht nur an den Fassaden Gerüste gebaut, sondern auch in den betroffenen Räumen. Die Decken werden vorsorglich weich abgestützt und besonders gefährdete Ausstattungsstücke wie Kamine oder Spiegel eingehaust. Raumgerüste ermöglichen, dass die fragilen Decken aus nächster Nähe beobachtet und im Zweifelsfall zusätzlich gesichert werden können.
Franz Nagel für die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten
Tipp: Am Donnerstag, dem 25. April, um 19 Uhr, findet ein Vortrag im Foyer im 3. Obergeschoss im Nordflügel statt. Vorgestellt wird die Dachsanierung des Westflügels von Schloss Friedenstein als komplexe Aufgabe sowohl für die Spezialplaner als auch für die Handwerker. Über Schäden, Abläufe und Herausforderungen sprechen der Architekt, Alexander Pfohl vom Architekturbüro Dr. Krause + Pfohl, Weimar, und der Statiker Stephan Nimmich vom Ingenieurbüro Trabert + Partner, Geisa. In den Vortrag führt die zuständige Projektleiterin der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Dorothea Voigt, ein. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Schlossbaugespräche auf Schloss Friedenstein“, zu der die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten gemeinsam einladen.